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Teures Bauen: Bremst sich die Branche mit Normen und Standards selbst aus?

04. Januar 2024

Die Bau- und Immobilienwirtschaft steckt in der Krise und die Bundesregierung scheint Lichtjahre von ihrem Ziel entfernt, jährlich 400.000 bezahlbare Wohnungen fertigzustellen. Was also tun, um das Baugeschehen wieder anzukurbeln?

Gründe für den dramatischen Einbruch im Wohnungsbau gibt es viele: Zinsentwicklung, steigende Material- und Energiekosten, kriegsbedingte Lieferengpässe, gestiegene Komfortansprüche aber auch die Frage, welche Regularien im Hinblick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Bau künftig gelten sollen, verunsichern Investoren und Bauherren.

Mit dem Baugipfel im September hat die Bundesregierung mithilfe der baubeteiligten Verbände 14 Maßnahmen formuliert, mit denen die Bautätigkeit wieder in Schwung kommen soll. Richtet man den Blick allerdings auf die stetig steigenden Anforderungen, die Normen und Baustandards an neue Immobilien stellen, drängt sich die Frage auf, ob sich die Bau- und Planungswirtschaft womöglich selbst auf den Schuhen steht.

Dieser Vermutung sind wir im aktuellen Ingenium nachgegangen und haben die Entwicklung von Normen und Standards mit ihren Auswirkungen auf das Baugeschehen näher unter die Lupe genommen:

Ist die Bauwirtschaft selbst schuld?

Im August resümierte das Handelsblatt: „Mit 355 Normen verteuert die Industrie selbst das Bauen“ und schob der Branche die Schuld an ihrer Misere zu. Richtig ist: Das Deutsche Normen-Werk enthält etwa 33.500 Normen, davon sind ca. 3.900 baurelevant und wiederum 355 insbesondere für den mehrgeschossigen Wohnungsbau. Dabei ist der Anteil an baurelevanten Normen in den letzten zehn Jahren um mehr als 15 Prozent gestiegen. Doch nicht die Menge an Normen ist der entscheidende Faktor.

Im Gebäude des Deutschen Instituts für Normung DIN wird über einen großen LED-Screen voller Stolz verkündet, die deutsche Wirtschaft spare dank DIN-Normen jährlich 17 Mrd. Euro. Und der ehemalige Abteilungsleiter im Bundesbauministerium Rechtsanwalt Michael Halstenberg konstatierte auf dem VBI-Bundeskongress am 16. November in Weimar „Die Normung ist ein deutscher Exportschlager!“ Wenn das für die Normung von Produkten unmittelbar nachvollziehbar ist – man denke nur an Stecker, der, egal von welchem Hersteller, in jede verbaute Steckdose passen muss – wie kann es dann sein, dass der Effekt im Bauwesen umgekehrt sein soll?

Bemessungsnormen haben allerdings eine andere Funktion als Industrienormen, die Standards vorgeben, um Produkte marktfähig zu halten. Gleiches gilt für die Vielzahl weiterer DIN-Normen, die im Bauen Maßstäbe für Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden oder für den baulichen Lärmschutz setzen.

„Normen werden gebraucht, um sicherzustellen, dass Gebäude in jeder Hinsicht sicher sind, energieeffizient, klimaneutral und barrierefrei errichtet werden können“, stellt Baustaatssekretär Rolf Bösinger gegenüber dem Handelsblatt klar, um gleichzeitig anzukündigen, dass man von Ministeriumsseite überprüfen wolle, „welche Normen nur Kosten verursachen und nicht mehr aktuell und praxistauglich sind“. Denn auch Bundesbauministerin Klara Geywitz sieht in den DIN-Normen einen Kostentreiber: „Wir haben wirklich viele DIN-Normen. Viele von denen sind aber gar nicht notwendig, um das Haus sicher und gut zu machen, sondern sind Ausstattungsnormen. Das führt dazu, dass wir oft einen Mercedes bauen“, erläuterte Klara Geywitz der Leipziger Volkszeitung. Es reiche aber oft ein einfacheres Modell, so die Bundesministerin. Dennoch: ein vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Auftrag gegebenes Gutachten zur „Prüfung der Kostenauswirkungen von Baunormen auf den Wohnungsbau und Einsparpotenziale – Umsetzung von Empfehlungen der Baukostensenkungskommission“ wurde bislang nicht veröffentlicht, obwohl es bereits 2021 abgeschlossen wurde.

Das Deutsche Institut für Normung vertritt dagegen die Auffassung, dass Normen – ganz im Gegenteil – zur Kostensenkung beim Bauen beitragen, indem sie die Grundlage zur Serienproduktion von Bauteilen schaffe und die Bauwirtschaft beim Nachweis entlaste, die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Gebe es keine Norm, müsste der Nachweis durch Gutachten erbracht werden, argumentiert das DIN. Dennoch monieren die Planer zunehmend praxisfernere Normen, die nicht Mindestanforderungen für das normale Baugeschehen definieren, sondern sich am Stand von Forschung und Wissenschaft orientieren und dabei die Tendenz haben, Höchstanforderungen zum Standard zu erheben. Darin sehen sie sich auch von Baurechtsexperten wie Prof. Dr. Gerd Motzke bestätigt, der aus seiner langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München feststellt: „Wir machen eine Empfehlung zu einem absoluten Maßstab, das ist eigentlich Irrsinn.“

Wer ist an der Normung beteiligt?

Ein Blick in die Ausschüsse des DIN, in denen die Normen zustande kommen, lässt erahnen, warum Planende deren Gebrauchstauglichkeit oft in Frage stellen. Ein Faktor dürfte in der Besetzung der Gremien liegen: Diese werden aus den so „interessierten Kreisen“ erstellt. Anwender, die öffentliche Hand, der Verbraucherschutz, die Industrie, die Wirtschaft und die Wissenschaft gehören unter anderem dazu. Die Zusammensetzung der unterschiedlichen Stakeholder soll ausgeglichen sein, wobei die genaue personelle Zusammensetzung der DIN-Gremien nicht veröffentlicht wird. Da die Normenentwicklung aber zeitaufwendig und teuer ist, sind aus der Planungspraxis tendenziell weniger Personen beteiligt. So sind faktisch Industrie und Wissenschaft oft stärker als die Baupraxis vertreten, beklagt der Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen BFW Dirk Salewski gegenüber dem Handelsblatt. Die Industrie nutze die Normen, „um höhere Standards in den Markt zu drücken und teurere Produkte zu verkaufen“. Derselbe Artikel zitiert Dietmar Walberg von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge), das Ungleichgewicht begünstige einen Trend zu höheren Standards, was die Kosten oft ausufern lasse und mahnt die Bauministerin zu handeln, sonst werde angesichts der hohen Baukosten bald kein Wohnungsbau mehr stattfinden.

In den Ausschüssen müssen Kompromisse geschlossen werden, um abstimmungsfähige Mehrheiten herzustellen. Damit der Entstehungsprozess und die Einhaltung der Regelungen für die Ausarbeitung von technischen Regeln, wie die DIN 820, auch von Außenstehenden nachvollzogen werden kann, empfiehlt der Deutsche Baugerichtstag, dass DIN, VDI, VDE/DKE und andere Herausgeber technischer Empfehlungen künftig gehalten sein sollen, den Erarbeitungsprozess nach einheitlichen Standards zu dokumentieren und diese Dokumentation Interessierten zur Verfügung zu stellen. Dabei kommt hinzu, dass sich das Normungsgeschehen in vielen Bereichen auf die europäische Ebene verschoben hat. Es ist nachvollziehbar, wie viel schwerer hier die Kompromissfindung unter den multinationalen Stakeholdern ist.

Was die Branche tut

Seit 2012 gehören die seit Einführung umstrittenen Eurocodes zum Handwerkzeug der Tragwerksplaner. Die Praktiker attestierten den Eurocodes der ersten Generation, sie seien praxisfern, zu umfangreich, wenig konsistent und damit schwer anwendbar. Die Interessenorganisationen der Planungsbüros – darunter auch der VBI – haben deshalb gemeinsam den Versuch betrieben, auch auf europäischer Ebene zu praktikableren Normen zu gelangen, die nach Möglichkeit eine Abbildung des „Normalfalls“ in der Planung anbieten, um den Aufwand im täglichen Arbeitsprozess der Planungsbüros in Grenzen zu halten. Diesem Ziel sollte der Verein PraxisRegelnBau dienen; die Erfolge sind allerdings kleinschrittig.

Mit der Idee der „EasyCodes“, die eine solche „Light-Version“ der Eurocodes für das Durchschnittsprojekt darstellen sollen, will man den Prozess verkürzen. Die Krux im deutschen Umgang mit der Normung besteht aus Sicht von VBI-Vizepräsident Dr.-Ing. Peter Warnecke vor allem darin, „dass sich die Normung in Richtung des Stands der Wissenschaft und Technik entwickelt, der jedoch den Anerkannten Regeln der Technik vorauseilt“.

Wie rechtsverbindlich sind Normen?

Wenn Normen das Bauen teurer machen, muss die Frage geklärt sein, wie verbindlich es ist, sie einzuhalten. Schließlich haben DIN-Normen zunächst einmal Empfehlungscharakter und sind keine gesetzlichen Vorschriften. Eine Abweichung ist demnach grundsätzlich möglich. Michael Halstenberg schreibt in einem Paper zur Neufassung des § 633 BGB über die Normung: “Sie dient der Vereinfachung und der Kosteneinsparung(!), weil dadurch individuelle und parallele Planungsprozesse vermieden werden können, ohne abweichende technische Lösungen einzuschränken.“

Erst im baupolizeilichen Zusammenhang, also in Bezug auf die öffentliche Sicherheit, erhalten Normen rechtliche Wirksamkeit, nämlich dann, wenn das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) DIN-Normen bauaufsichtlich einführen. Hierdurch entstehen rechtlich verpflichtende Anforderungen. Auf diese Anforderungen verweist wiederum die Musterbauordnung (MBO) unter § 3 „Vorgaben für allgemeine bauaufsichtliche Anforderungen“, wobei nach Abs. 3 Satz 1 die „von der obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln“ zu beachten sind. Hierzu zählen auch Normen. Die 16 spezifischen Bauordnungen der Länder (LBO) orientieren sich an der MBO und beziehen sich auf die „Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen“ (MVV TB), die technische Regeln enthält und auf etwa 550 Normen Bezug nimmt.

Bauministerkonferenz friert Bauvorschriften ein

Um eine Absenkung der Anforderungen im Bauen zu erwirken, hat sich die Bauministerkonferenz am 23./24. November nun auf einen Belastungsstopp bei Bauvorschriften verständigt. In den kommenden fünf Jahren soll es weder in der Musterbauordnung noch bei den technischen Bauvorschriften Änderungen geben, die “das Bauen unnötig verteuern oder erschweren”. Die Initiative für ein Moratorium, mit dem die Fortschreibung der Musterbauordnung und der MVV TB eingefroren werden sollte, war im Vorfeld auf heftigen Widerstand der Bau- und Planungsbranche – darunter auch der VBI – gestoßen. Die Unterzeichner des Verbändeschreibens gegen das Moratorium am Bau sehen die Transformation zu nachhaltigem und innovativem Bauen sowie zu digitalen Planungs- und Bauprozessen gefährdet und verweisen darauf, ein regulatorisches Einfrieren führe weder zur gewünschten Planungssicherheit noch zur Eindämmung von Baukostensteigerungen. Im Gegenteil: Es könne die Erreichung wichtiger gesellschaftlicher Ziele „massiv behindert und teilweise unmöglich gemacht werden“. Mit der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen MVV TB werden bautechnische Regeln faktisch zu anerkannten Regeln der Technik erklärt. Deren Fortentwicklung nicht weiter abzubilden, hieße eine Stagnation im technischen Fortschritt am Bau festzuschreiben. Auch für die Konkretisierung abstrakter Rechtsbegriffe von Klimaneutralität bis Datensouveränität seien Baunormen und die bauaufsichtliche Einführung unerlässliches Werkzeug, befinden die Verbände. Ein Widerspruch?

Dabei ist oft nicht klar, was eigentlich unter „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ zu verstehen ist und wie es um deren rechtliche Verbindlichkeit bestellt ist.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik

In einem Urteil von 1988 befand das BGH, DIN-Normen spiegelten „den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden anerkannten Regeln der Technik wider und sind somit zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen in besonderer Weise geeignet“. Explizit wird hier von Sicherheit, nicht aber von Komfortanforderungen gesprochen. Insbesondere von bauaufsichtlich eingeführten Normen wird angenommen, dass sie den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen und damit verbindlich einzuhalten sind. Grundsätzlich ist es aber möglich, dass DIN-Normen hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben (BGH, Urteil vom 14.5.1998 – Az. VII ZR 184/97 und OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.04.2022 – 5 U 178/21), zum Beispiel wenn eine Norm schlicht veraltet ist, weil sie längere Zeit nicht mehr angepasst wurde. Ein anderes Urteil des OLG Düsseldorf verweist darauf, eine DIN-Norm, die lediglich ein „Komfortlevel“ festhalte, und damit „weit oberhalb des Niveaus, das sicherheitstechnische Relevanz aufweist“, liege, lasse keine Vermutungswirkung erkennen, die anerkannten Regeln der Technik darzustellen (Urt. v. 09.02.2023 – I-5 U 227/21).

Alles nur ein Missverständnis?

Im Oktober hat das Statistische Bundesamt frische Zahlen zum Auftragseingang im Baugewerbe veröffentlicht, bei denen sich eine Trendumkehr durch die Investitionen in die Infrastruktur – insbesondere durch Projekte im Schienenbau abzeichnet. Das gilt allerdings nicht für den Wohnungsbau. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe ZDB, benennt in der ZDB-Presseinformation die Misere: „Im August haben wir wieder 30 Prozent weniger Baugenehmigungen bekommen als im Vorjahr. Insgesamt fehlen im Vorjahresvergleich bis August Genehmigungen für 69.000 Wohnungen. Es ist keine Zeit mehr für die bisherige Ankündigungspolitik. Die Menschen erwarten einen Wohnungsbau-Wumms.“ Seine Forderungen an die Politik: „Baugenehmigungen innerhalb von drei Monaten, eine niedrigere Grunderwerbssteuer, die versprochenen zinsvergünstigten Kreditsummen und ein geförderter EH 55-Standard sind das Minimum, um den Wohnungsbau in Deutschland wieder auf Kurs zu bringen“, so der ZDB-Hauptgeschäftsführer.

Von Normung ist nicht die Rede – aber von einem gesetzlich vorgegebenen Standard. Das Mindestmaß der Energieeffizienz eines Neubaus ist im Gebäudeenergiegesetz (GEG) festgelegt. Seit diesem Jahr gilt ein Standard mit dem Wert EH 55. Das bedeutet, dass ein Neubau nur 55 Prozent an Primärenergie des im GEG gesetzlich festgelegten Referenzgebäudes verbrauchen darf. Mit dem EH 55-Standard ist die Regierung schon hinter das ursprüngliche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, den EH 40-Standard bis 2025 gesetzlich zu verankern, fürs erste zurückgerudert. In der ARD sagte die Bundesbauministerin dazu: “Jetzt müssen alle drei staatlichen Ebenen verstehen: Wir müssen die Standards senken und die Kosten runternehmen.”

Mit der Forderung nach zinsvergünstigten Krediten spricht Pakleppa allerdings eine sehr konkrete Ebene an und steht damit nicht allein: denn spricht man mit Projektentwicklern, so krankt deren Neugeschäft vor allem an den massiv gestiegen Zinsen und Anforderungen, die die Banken an die Finanzierung von Bauprojekten stellen – sowohl von Wohn- als auch von Nichtwohngebäuden. Das macht eine weitere Dimension der Thematik auf: An welchen Stellschrauben können wir überhaupt drehen? Dazu machte Halstenberg in Weimar die Rechnung auf: „An den Finanzierungskosten kann man nichts machen, an den Kosten für Materialien und ähnliche Dinge auch nicht, wenn sie jetzt ein Produkt, günstiger machen wollen, dann müssen sie halt die Anforderungen senken.“

Der Blick über die Grenze

Beispielsweise die Niederlande zeigen, wie es auch anders geht: Dort ist das Bauen bezahlbarer geblieben als hierzulande, auch weil die Bauordnung reformiert wurde. Schon 2018 hatte das Institut der Deutschen Wirtschaft einen Vergleichsbericht veröffentlicht. In den Niederlanden stehen demnach die Ziele und weniger Vorgaben für die Zielerreichung im Vordergrund – die Vorschriften sind also technologieoffener gestaltet.

Allerdings haben die Niederlande keine vergleichbare föderale Struktur. Die aktuellen Koalitionsverhandlungen in Hessen zeigen exemplarisch, wo die Fallstricke liegen. Die FAZ berichtete am 4. Dezember über die Forderungen der hessischen Bauwirtschaft an die Politik, die hessische Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen abzuschaffen. Diese umfasst 538 Seiten, während die Muster-Verwaltungsvorschrift des DIBt mit 352 Seiten auskommt. Das Problem kostentreibender Vorschriften setzt sich bis in die Kommunen fort: Städte und Gemeinden in Hessen schreiben laut Bauwirtschaft Tiefgaragenstellplätze in unnötigem Ausmaß vor. Die Herstellungskosten dafür seien mit rund 500.000 pro Platz aber immens und müssten oft durch höhere Wohnungspreise kompensiert werden.

Problemlöser „Gebäudetyp E“?

Die Bundesarchitektenkammer hat mit ihrer Initiative für einen „Gebäudetyp E“ einen neuen Lösungsansatz in die Diskussion gebracht. Je nach Lesart steht das E dabei für „einfach“ aber auch für „experimentell“. Es geht darum, dass Planende einen anderen Standard mit den Auftraggebern vereinbaren können, ohne dabei Gefahr zu laufen, wegen der Nicht-Einhaltung von Regelwerken später vor Gericht haftbar gemacht zu werden. Kritiker wenden ein, der Begriff des Gebäudetyps E bleibe diffus. Prof. Dr. Gerd Motzke forderte deshalb auf dem VBI-Bundeskongress, man solle einen „Gebäudetyp erfinden nach Art einer ‚Bauart‘ im öffentlichen rechtlichen Sinn“. Planen und Bauen nach Maßgabe des Gebäudetyps E beinhaltet die Entwicklung einer dafür maßgeblichen Struktur für das „Einfache Bauen“: Aus technischen Leitfäden muss ein rechtlich tragfähiges „Leitbild“ für den Gebäudetyp E entwickelt werden.“ Das aber will die BAK gerade nicht: Der „Gebäudetyp E ist ein Planungsansatz“, stellte BAK-Hauptgeschäftsführer Dr. Tillman Prinz in der Podiumsdiskussion in Weimar klar.

Die Bundespolitik unterstützt die Idee des Gebäudetyps E: Im September hatten Kanzler Olaf Scholz und Bundesbauministerin Klara Geywitz zum „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ geladen, wobei ein Maßnahmenpaket für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft beschlossen wurde. Darunter auch die Förderung des Gebäudetyps E,“ indem die Vertragspartner Spielräume für innovative Planung vereinbaren, auch durch Abweichen von kostenintensiven Standards“, wie es in dem Beschluss heißt. Die Länder beabsichtigten, Änderungen der Musterbauordnung und der Landesbauordnungen zur Umsetzung vorzunehmen. Die Bundesregierung will eine „Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E” bis Ende des Jahres vorlegen, „um dafür zu sorgen, dass für die Beteiligten vereinfachtes Bauen rechtssicher gelingen kann.“ Inzwischen ist beim Bundesjustizministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, mit der die Umsetzung einer Planung im Sinne des Gebäudetyps E rechtssicher vereinbart werden kann. Dazu müssen gesetzliche Veränderungen vorgenommen werden – aber letztlich wird es auf den Willen der Vertragspartner ankommen. „Wir haben das Recht so konstruiert, dass alle nur nach den Regeln bauen wollen. Allein aus Haftungsgründen haben wir nur Haftangstverträge“, bringt Michael Halstenberg das Dilemma auf den Punkt.

Der Wille ist da: Daniel Lambrecht, der Planer in der Podiumsrunde in Weimar bekannte: „Den Gebäudetyp E beobachte ich ziemlich euphorisch – und skeptisch zugleich.”